Die 1920er Jahre Handwerk in der Nachkriegszeit

Zwei Jahre nach seinem Ende waren die Auswirkungen des ersten Weltkrieges auf das Handwerk im Koblenzer Kammerbezirk noch immer dramatisch und belastend. Mehr als 8.000 Handwerker waren zum Dienst an der Waffe eingezogen worden, 5.000 Betriebe mussten ihren Betrieb einstellen. Tote, Verletzte und Gefangene waren infolge des Krieges zu beklagen.

Die 1920er Jahre
Geldgeschichtliche Sammlungen im Geldmuseum, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main
Notgeld der Gemeinde Höhr-Grenzhausen aus Keramik. Die Münzen stammen aus dem Jahr 1921.

Mit 16.648 eingetragenen Betrieben die gerade noch 2.940 Lehrlinge ausbildeten, wurde in der noch jungen, 20-jährigen Kammergeschichte ein neuer Negativrekord geschrieben. Die Besetzung des Rheinlands durch amerikanische und französische Truppen verschärfte die Krise zusätzlich. Die Rohstoffversorgung wurde unterbunden, Verkehrswege gekappt. Die Wirtschaftsverwaltung in der Besatzungszone wurde der Interalliierten Rheinland-Kommission unterstellt. Diesen schwierigen Rahmenbedingungen setzte die Handwerkskammer eine Schärfung als Interessensvertretung des heimischen Handwerks entgegen – durchaus erfolgreich, denn laut einem Bericht der Vollversammlung war das Jahr 1920 geprägt durch einen regelrechten Ansturm der Handwerksmeister auf die Geschäftsstelle der Handwerkskammer. In einigen Regionen des Kammerbezirks stieg der Organisationsgrad selbstständiger Handwerker auf sagenhafte 100 Prozent, darunter Koblenz-Stadt und der Kreis Altenkirchen. 

In Folge der sich verbessernden Situation im Handwerk stiegen 1920 auch wieder die Zahlen der Meisterschüler. Mit 514 Teilnehmern wurden sogar die Vorkriegszahlen übertroffen!

Probleme bereitete ein steigendes Angebot billiger Konkurrenzprodukte aus der Industrie und deren Vertrieb über Konsumvereine. „Das Handwerk müsse umdenken und rationeller einkaufen und produzieren“, mahnte der damalige hauptamtliche Kammerverantwortliche, Heinrich Otto. Doch schon bald wurden die weiteren Planungen oder Hoffnungen für einen wirtschaftlichen Aufschwung begraben. Inflation und Geldentwertung prägten das öffentliche Leben wie die Wirtschaft. Und auch die Kammer geriet in die Turbulenzen der galoppierenden Inflation. Das Papiergeld wies in kürzester Zeit Zahlen aus, die bis dahin kaum einer kannte. Kostete ein 1.000-Gramm-Brot im Mai 1923 knapp 500 Mark, wurden dafür im Juli bereits über 2.000 Mark fällig. Anfang Oktober waren es gar 14 Millionen, einen Monat später sagenhafte 5 Milliarden Mark.

Die Planbarkeit eines Haushaltes war unter diesen Bedingungen schwierig bis unmöglich. Was sich auswirkte auf den Dienstbetrieb der Handwerkskammer und ihre Leistungen. Ein Notbetrieb wurde eingeführt, Prüfungs- und Fachkurse eingestellt. Gestern kalkuliert, waren ihre Teilnahmegebühren am nächsten Tag nicht mehr das Blatt Papier ihrer Notiz wert.

Und doch hatte die katastrophale Lage sogar einen positiven Nebeneffekt: Die Hypothek auf das 1909 eingeweihte Kammergebäude in der Rizzastraße in Höhe von 80.000 Mark konnte problemlos abbezahlt werden. Der Vermögensstand materieller Werte erreichte so schlagartig das Vorkriegsniveau.

Mutig war die Entscheidung der Koblenzer Handwerkskammer, in dieser Phase eine eigene Zeitung zu gründen. Im Sommer 1921 erschienen zum ersten Mal die „Gewerblichen Nachrichten“ mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren. Das regelmäßig erscheinende Blatt wurde allen bei der Kammer gemeldeten Betrieben kostenlos zugeschickt –eine logistische Meisterleistung, denn ein Handwerksregister gab es mit der Handwerksrolle erst ab 1929.