Die 1900er Jahre Der Weg hin zur „Handwerkskammer zu Coblenz“ im Jahr 1900

Das Handwerk im Rheinland wie im Raum Koblenz um das Jahr 1815: Die von der Verwaltung mit harten Maßnahmen durchgesetzte Gewerbefreiheit bewirkte, dass die Handwerkerschaft fast überall im linksrheinischen Raum ihre rechtlichen und politischen Vertreter verlor. Die Zünfte des Handwerks wurden verboten wie auch die Durchführung von Meister- oder Gesellenprüfungen. Ein Niedergang des Handwerks erschien mit diesen Vorzeichen unabwendbar ...

Die 1900er Jahre
Stadtarchiv Koblenz, StAK FA 4,1 Nr. 2 Bild 6. Fotograf: Otto Kilger, Koblenz.
Der erste Amtssitz der frisch gegründeten „Handwerkskammer zu Coblenz“ befand sich in der Schloßstraße 38 in angemieteten Büros.

Die Entwicklung des Handwerks hin zum Jahr 1900 und damit zur Gründung einer Handwerkskammer: sie ist durch viele Faktoren geprägt und reichte von wirtschaftlichen Nöten über politische Entscheidungen zum Nachteil des Handwerks, einer Welle der Ab- und Auswanderung, schlecht qualifizierten Handwerkern bis hin zu fehlenden Standards bei der Ausführung von Arbeiten. In der Folge ergaben sich zunehmend Lücken und Engpässe bei der Versorgung der Bevölkerung. Das bildeten auch Zahlen eindeutig ab: Gab es 1850 unter 1.000 Koblenzer Einwohnern rein rechnerisch noch 87 Handwerker, waren es 1900 gerade noch 34!

Es musste also etwas geschehen, um diese Entwicklung zu stoppen. Das Handwerk selbst forderte eine neue rechtliche Ordnung – auch und gerade gegenüber der Politik. Neue Rahmenbedingungen mussten her und mündeten schließlich in eine überarbeitete Gewerbeordnung. Die wurde am 26. Juli 1897 im Deutschen Reichstag verabschiedet und sah eine deutliche Aufwertung des Handwerks vor, das ähnlich wie bereits die Industrie, der Handel und in Teilen die Landwirtschaft eine eigene Vertretungs- und Verwaltungseinrichtung erhalten sollte.

Auch die Aufgaben der neu zu schaffenden Handwerkskammern wurde klar definiert. Dazu zählt das Lehrlingswesen, die Förderung des Handwerks, die Beratung der Behörden im Umgang mit Betrieben des Handwerks, die Bildung von Ausschüssen zur Abnahme der Gesellenprüfung. Auch die „Förderung der gewerblichen, technischen und sittlichen Ausbildung der Meister, Gesellen und Lehrlinge“ wurden genannt und den Handwerkskammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts Hoheitsaufgaben übertragen. Ebenso fielen den Kammern die Ausgestaltung und Abnahme von Meister- und Gesellenprüfungen zu.

Für die neuen Handwerkskammern in Deutschland – es wurden zunächst 71 gebildet – bedeutete das auch, Verantwortung zu übernehmen und die politischen Vorgaben umzusetzen. Bei all dem spielten natürlich auch eigene Interessen des Handwerks eine zentrale Rolle.

Und so wurde auch das Kammerwesen auf eine demokratische Basis gestellt und zum Jahreswechsel 1899/1900 fanden in Koblenz die ersten Wahlen zur Vollversammlung statt, die sich aus Vertretern der Innungen wie auch sonstigen Gewerbe- und Handwerkervereinen zusammensetzte. Der Kammerbezirk erhielt einen Zuschnitt, der in seinen Grundzügen dem Regierungsbezirk Koblenz entsprach. Ungewöhnlich und heute kaum noch bekannt: auch eine territoriale Exklave gehörte mit dem Kreis Wetzlar dazu. Diese „Insellösung“ ergab sich aus „althergebrachten, durch historische und wirtschaftliche Momente begründete und gerechtfertigte Zugehörigkeit des Kreises Wetzlar zur preußischen Rheinprovinz“ und damit zum Regierungsbezirk Koblenz. Erst 1932 wurde das hessische Wetzlar der Handwerkskammer Wiesbaden zugeordnet. Mit Gründung der Handwerkskammer fehlen aber auch Gebiete, die später dem Koblenzer Kammerbezirk zugeteilt werden: Handwerksbetriebe im Ober- und Unterwesterwald, an der Unterlahn und St. Goarshausen werden erst 1945 Mitglieder der Koblenzer Handwerkskammer (bis dahin Wiesbaden).

Zum 1. April 1900 wurden alle im Gewerbegesetz von 1897 verankerten Regelungen und Bestimmungen in Kraft gesetzt. Als offizielles Gründungsdatum der heutigen Handwerkskammer Koblenz gilt der 18. April 1900. An diesem Tag fand die erste Sitzung der Vollversammlung der „Handwerkskammer zu Coblenz“ statt.

Zum Präsidenten wurde Bäckermeister Anton Neidhöfer gewählt. Die hauptamtlichen Aufgaben übernahm Gustav Koepper. Der erste Kammerhaushalt wurde mit 18.700 Mark verabschiedet. Zum Vergleich: ein Liter Milch kostete damals 20 Pfennig, das Durchschnittseinkommen einer Familie lag bei 6.000 Mark im Jahr.

Mit einem gewissen Stolz bilanzierte die „Handwerkskammer zu Coblenz“ schon im Gründungsjahr eine steigende Nachfrage ihrer Leistungen und starken „Andrang der Rath- und Auskunftheischenden“ am ersten Hauptsitz in der Koblenzer Schloßstraße 38.